Chemische Verschiebung

Als chemische Verschiebung (englisch chemical shift) bezeichnet man in der NMR-Spektroskopie den relativen Abstand des Zentrums einer Resonanzlinie der Probe (Frequenz ) von dem eines willkürlich gewählten Standards (Frequenz ), dem die chemische Verschiebung 0 zugewiesen wird. Die von der Magnetfeldstärke des verwendeten Spektrometers unabhängige chemische Verschiebung wird in ppm angegeben und berechnet sich nach:

Ursache der chemischen Verschiebung ist die magnetische Suszeptibilität der Elektronen, die den jeweiligen Atomkern umgeben. Diese führt zu einer teilweisen Abschirmung des externen Magnetfeldes durch die Elektronen. Ist das Atom Teil eines Moleküls, so wird die Elektronendichte und damit die Abschirmwirkung durch die Nachbaratome beeinflusst. Im Großen und Ganzen ist der Abschirmeffekt umso schwächer, je elektronegativer die Nachbaratome sind. Anhand der chemischen Verschiebung lassen sich daher in einem NMR-Spektrum einzelne Substituenten oder funktionelle Gruppen identifizieren.[1] Abschätzen lässt sich die chemische Verschiebung einer Gruppe durch die Shoolery-Regel. Genaue Werte sind stets auch vom verwendeten Lösungsmittel abhängig, besonders in polaren Lösungsmitteln oder konzentrierten Lösungen/Substanz ergeben sich zum Teil starke Abweichungen.

Für die 1H- und 13C-NMR-Spektroskopie in organischen Lösungsmitteln werden normalerweise die Resonanzlinien von TMS (Tetramethylsilan = (CH3)4Si) als Standard benutzt. Da das Silicium-Atom in TMS elektropositiven Charakter hat, die TMS-Referenzlinien also einen überdurchschnittlich starken Abschirmungseffekt zeigen, liegen die Spektren der meisten Moleküle bei positiven , negative Werte sind aber ebenfalls möglich. In wässrigen Lösungen, in denen TMS unlöslich ist, werden stattdessen die wasserlöslichen Derivate DSS (Natriumsalz der 2,2-Dimethyl-2-silapentan-5-sulfonsäure) oder TSP (Natriumsalz der 3-(Trimethylsilyl)-propionsäure) verwendet.

In der älteren Literatur wurde manchmal noch die τ (tau)-Skala verwendet, in der das Referenzsignal von TMS bei 10 ppm liegt. Diese Skala ist heute nicht mehr gebräuchlich. Eine Umrechnung in die δ-Skala ist leicht möglich: δ = 10 ppm − τ.

Wegen der Elektronendichteverteilung entlang von chemischen Bindungen zeigt die CS in Molekülen eine starke räumliche Anisotropie. Diese tritt allerdings nur bei Messungen an Festkörpern in Erscheinung, da sie in Lösung durch die schnelle brownsche Molekularbewegung auf der NMR-Zeitskala ausgemittelt wird. Spektren unlöslicher Verbindungen z. B. können aber mithilfe von Magic Angle Spinning gewonnen werden.

In der 1H- und 13C-NMR-Spektroskopie wird häufig der Standard TMS nicht mehr selbst zur Probe zugegeben, sondern die Auswertung erfolgt relativ zur bekannten Verschiebung des Lösungsmittelsignals (Restprotonen) gegenüber TMS (siehe internes Referenzieren).

  1. Joseph B. Lambert, Scott Gronert, Herbert F. Shurvell, David A. Lightner: Spektroskopie – Strukturaufklärung in der Organischen Chemie. 2. Auflage. PearsonDeutschland, München 2012, ISBN 978-3-86894-146-3, S. 75–131.

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